Internationale Experten legen Standards zur Forschung fest. „Lebensrettende Systeme“ vielversprechend im Kampf gegen den plötzlichen Herztod

Um bei Notfällen mit Herz-Kreislaufstillstand, einer der häufigsten Todesursachen, noch schnellere Hilfe zu gewährleisten, empfehlen die Internationalen Reanimationsleitlinien seit 2021 den Einsatz von Apps und digitaler Technologie. 46 internationale Expertinnen und Experten aus 12 Ländern, trafen sich am 02./03. Mai 2022 in Hinterzarten bei Freiburg, um wissenschaftliche Standards festzulegen.

Auf Initiative des gemeinnützigen Vereins Region der Lebensretter sowie dem Deutschen Rat für Wiederbelebung e.V. (German Resuscitation Council, GRC) und der Universität Greifswald wurde am 02./03. Mai 2022 eine internationale Konsensuskonferenz in Hinterzarten bei Freiburg durchgeführt. 46 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus 12 Nationen, die sich intensiv mit Ersthelfersystemen und AED-Netzwerken beschäftigen, nahmen an der Konferenz teil. Sie wurde in Kooperation mit der Deutschen Herzstiftung, der ADAC Stiftung sowie dem European Resuscitation Council (ERC), der europäischen Fachgesellschaft für die Wiederbelebung, veranstaltet.

Die Forscher definierten Kriterien, die in zukünftigen Forschungsarbeiten zu Ersthelfersystemen als Standard berichtet werden sollen. Diese betreffen das jeweilige Ersthelferalarmierungssystem, die eingebundenen Ersthelfer mit ihrer Qualifikation und Ausstattung, die Technologie (vor allem Alarmierungs-App und Datenbank für öffentlich zugängliche Defibrillatoren), die Berichterstattung über die Prozesszeiten und medizinischen Ergebnisse sowie die Verwendung von Defibrillatoren durch die Ersthelfer.

Die Ergebnisse der Tagung sollen in den Publikationsorganen der beteiligten Fachgesellschaften veröffentlicht werden. Zusätzlich fand auch ein Austausch zu Themenfeldern statt, in denen weitere Forschungsarbeiten nötig sind. Damit sollen künftig auch mehr sogenannte Multicenter-Studien in diesem Forschungsgebiet erfolgen, in denen die Wissenschaftler aus mehreren Regionen und Ländern zusammenarbeiten.

Die in der Region der Lebensretter ehrenamtlich helfenden Notärzte wurden während der Konsensuskonferenz zweimal zu Einsätzen in Hinterzarten alarmiert und trafen dabei auf einen weiteren engagierten Ersthelfer aus dem Ort: Nach nur 2 Minuten waren jeweils 4 Helfer und ein AED beim Patienten. Kein Glücksfall, sondern System: Im Landkreis Freiburg/Breisgau-Hochschwarzwald sind mittlerweile über 1.200 Ersthelfer bei Region der Lebensretter registriert. Diese schnelle Überbrückung der ersten Minuten nach einem Notfall bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes rettet Leben – daher sollen am 19. Mai alle Landkreise in Baden-Württemberg, die sich dem System bisher angeschlossen haben, zu einem landesweiten Alarmierungssystem zusammengeschaltet werden.

Hintergrund:

Über 70.000 Menschen erleiden jährlich in Deutschland einen Herz-Kreislaufstillstand. Dies ist eine der häufigsten Todesursachen: Nur 10% der Patienten überleben, da mit den Maßnahmen zur Wiederbelebung meistens zu spät begonnen wird. Zwar trifft der Rettungsdienst oft nach weniger als zehn Minuten ein, aber das Gehirn erleidet bereits nach drei bis fünf Minuten irreversible Schäden. Um eine optimale Überlebenschance zu gewährleisten, muss unmittelbar mit der ununterbrochenen Herzdruckmassage (100-120 mal pro Minute, 5-6 cm tief bei Erwachsenen) begonnen werden, möglichst auch mit der Beatmung. Nicht selten liegt eine Herzrhythmusstörung vor, die mit einem Defibrillator behoben werden kann. Diese Behandlung kann zusätzlich noch vor Eintreffen des Rettungsdienstes erfolgen, beispielsweise mit einem automatisierten externen Defibrillator (AED).

10.000 Menschenleben könnten pro Jahr zusätzlich in Deutschland gerettet werden. Seit März 2021 empfehlen die internationalen Reanimationsleitlinien, Ersthelferinnen und Ersthelfer, die sich in der Nähe eines vermuteten Kreislaufstillstandes befinden, über eine Smartphone-App zu aktivieren. „Die Wiederbelebung durch ausgebildete Helfer, die über eine Handy-App aktiviert werden, verkürzt das reanimationsfreie Intervall oft um mehrere Minuten,“ so Prof. Dr. Michael Müller, 1. Vorsitzender des Vereins Region der Lebensretter und Mitglied im Exekutivkomitee des GRC. „Moderne Ersthelfersysteme alarmieren mehrere Ersthelfende und sind mit Datenbanken verbunden, in denen die Standorte öffentlich zugänglicher AEDs erfasst sind. Drei Ersthelfer werden zum Patienten geschickt, ein Ersthelfer zum nächsten AED. Somit erfolgt im besten Fall auch die Defibrillation bereits vor Eintreffen des Rettungsdienstes.“

Die Anzahl der Forschungsarbeiten zu sogenannten „Lebensrettenden Systemen“ ist noch überschaubar, wird aber in den nächsten Jahren erheblich zunehmen. Mittels Studien sollen Aussagen zu der benötigten Anzahl der Ersthelfer (bezogen auf Einwohner oder Fläche), zur notwendigen Dichte von AED-Standorten und zum optimalen Einsatz digitaler Technologie getroffen werden. 1991 haben sich Forscherinnen und Forscher aus verschiedenen Fachgesellschaften auf einen Standard für Datenerhebung in Forschungsprojekten geeinigt, die sich mit dem Thema der Wiederbelebung beschäftigen. Für die Lebensrettenden Systeme, die in den aktuellen Leitlinien in einem neuen Kapitel beschrieben werden, existiert ein solcher Standard für Forschungsarbeiten noch nicht.